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Beiträge unserer „Zugvögel“

Couchsurfend durch Israel

Shalom!

Armored Dove - ein Werk des britischen Street-Art Künstlers Banksy in Bethlehem

Tagtäglich sehen tausende Jordanier die Sonne über dem von Israel besetzten Westjordanland - auf der anderen Seite des Jordangrabens - untergehen, wohlwissend, dass sie wohl niemals einen Fuß darauf setzen werden. Da über die Hälfte der Jordanier von vertriebenen Palästinensern abstammt, haben viele von ihnen Familie, Verwandte und Bekannte dort, welche sie aufgrund der politischen Situation nicht besuchen können. Sowohl für Jordanier als auch für Palästinenser oder Israelis ist es so gut wie unmöglich, die Grenze entlang des Jordans und des Toten Meeres zu passieren. Leicht vorstellbar, wie sensibel dieses Thema für viele Jordanier ist.

Armored Dove - ein Werk des britischen Street-Art Künstlers Banksy in Bethlehem

Zwar ist Jordanien, zusammen mit Ägypten, das einzige Arabische Land, mit dem Israel zurzeit offiziell nicht im Krieg steht, allerdings ist der Nahostkonflikt deshalb noch keinesfalls beigelegt. Noch immer gilt das Nachbarland wegen des Umgangs mit den Palästinensern als der Erzfeind schlechthin. Die jüngsten Angriffe auf Gaza, aggressive Rhetorik im israelischen Wahlkampf und die US-amerikanische Außenpolitik haben in letzter Zeit zusätzlich Öl ins Feuer gegossen.

All das sollte mich aber nicht davon abhalten, mal die andere Seite des Jordans zu besuchen!  Als europäischer Staatsbürger ist es glücklicherweise relativ einfach, von Jordanien nach Israel einzureisen. Daher steht ein Besuch Israels bei den meisten Austauschstudenten der German-Jordanian-University auf dem Plan, während die einheimischen Studenten gar nicht einmal daran zu denken wagen.

Der Grenzübergang ist kein Spaß

Der Grenzübergang ist kein Spaß: Oft hört man Geschichten von Leuten, welche stundenlang verhört wurden oder wegen Kleinigkeiten abgewiesen wurden. Tatsächlich ist jeder Security-Check am Flughafen ein Kindergeburtstag gegen diese Einreise. Von Rückflugtickets über Unterkünfte usw. musste alles stimmen und belegt werden. Dies war vor allem aufgrund unserer fehlenden Reiseplanung und des Couchsurfens schwierig. Zudem war es wichtig, dass mein Reisepartner und ich unsere Antworten auf sämtliche Fragen einigermaßen aufeinander abgestimmt hatten. Trotzdem war alles relativ schnell überstanden. Anschließend ging es per Bus weiter nach Nazareth. Neben den typischen christlichen Stätten und ihren teils fanatischen Besuchern lernten wir hier auch gleich die extrem hohen israelischen Essens-Preise kennen. Von Nazareth ging es am nächsten Tag weiter nach Tiberias am See Genezareth. Nach fast 3 Monaten im staubtrockenen Jordanien war es eine echte Wohltat, mal wieder ein Gewässer zu sehen! Also stand erst mal ein kurzes Bad auf dem Programm, immer die angrenzenden Golanhöhen im Blick.

Weiter nach Haifa und Akkon

Auch dieses ursprünglich syrische Gebiet wird - nach geltendem UN-Recht- illegal von Israel besetzt und ist nach wie vor ein großer Konfliktpunkt. Später ging es dann per Bus und Anhalter nach Haifa, einer Hafenstadt am Mittelmeer. Mittlerweile wurden die strengen Sicherheitsvorkehrungen und die Militarisierung des Alltages immer offensichtlicher: Kein Eintritt in ein Kaufhaus, einen Busbahnhof, eine religiöse Stätte, was auch immer, ohne Scan und Durchsuchung des Gepäcks, immer mit griffbereitem Reisepass. Zudem die ständige Präsenz von Maschinengewehren. In Israel herrscht eine allgemeine 2 bis 3-jährige Wehrpflicht, dabei sollen alle Wehrdienstleistenden ihre Waffen bei Freigang mit nach Hause nehmen. Ständig sieht man junge Leute mit Maschinengewehren herumlaufen, als wäre es das Normalste auf der Welt.

Das Sehenswerteste in Haifa ist wohl die Aussicht von der Stadt auf die darunterliegende Bucht und der Schrein des Bab, die zweitheiligste Stätte einer etwas speziellen, aber symphytischen und sehr friedlichen Religion namens Bahai. Nördlich von Haifa besuchten wir noch Akkon, das vor allem Geschichtsliebhabern ein Begriff sein sollte: Dort gab es zur Zeit der Kreuzzüge viel Action, da dort damals ein wichtiger Hafen und die letzte Festung der Kreuzritter war.

Tel Aviv - die junge Stadt

Anschließend ging es nach Tel Aviv, dem eigentlichen gesellschaftlichen Zentrum des Landes. Hier herrscht ein äußerst europäisches Flair mit einer unglaublichen Offenheit und Toleranz. Wenige Wochen vor unserem Besuch fand dort der Eurovison Song Contest statt, wenige Wochen nach unserem Besuch wird es dort eine Gay Pride geben. Die Stadt ist zwar sehr teuer, ist aber sehr jung und bietet viel Möglichkeiten zum Feiern. Nach der langen Zeit im eher konservativ islamischen Jordanien tat es gut, wieder so viel westliches Flair zu erleben & mit einer Flasche Wein am Strand zu sitzen.

Die Heilige Stadt Jerusalem

Die nächste Station war die Heilige Stadt Jerusalem. Mit ihrer Geschichte, den unzähligen heiligen Stätten der drei Weltreligionen und ihren größtenteils sehr konservativen Einwohnern ist Jerusalem das totale Gegenteil Tel Avivs. Hier kann man innerhalb weniger Gehminuten von einem Ultraorthodoxen jüdischem Stadtviertel, wo Leute die typischen „Judenhüte“ und Schläfenlocken tragen und unpassend gekleidete Touristen bespucken, ins erzkonservative muslimische Viertel der Altstadt gelangen. Hier leben die Erzfeinde sozusagen Tür an Tür, was wir auch selbst während unseres Besuches erlebten. Am eindrucksvollsten war ein Gespräch zwischen einem älteren orthodoxen Juden mit einem etwa 12jährigen Jungen mit Kippa und Schläfenlocken: Der ältere Herr wies den Jungen eindrücklich an, auf dem Nachhauseweg doch bitte nicht den direkten Weg durch die Altstadt zu nehmen, nicht stehenzubleiben, und evtl. Soldaten um Geleitschutz zu bitten, da gerade ein Moslem zwei Juden mit einem Messer attackiert hat und man ja nie weiß, was noch kommen könnte. Wie wir am Abend aus den Nachrichten erfahren haben, wurde der Angreifer von patrouillierenden Soldaten erschossen, die Opfer kamen mit schweren Verletzungen davon. Am Tatort in der stark besuchten Altstadt sind wir zufälligerweise kurz zuvor vorbeispaziert. Selbst die zahlreich stationierten Soldaten können kaum dazu beitragen eine absolute Sicherheit zu gewährleisten. Zu unserem Besuch herrschte allgemein eine recht angespannte Atmosphäre: Zeitgleich war Ende des muslimischen Fastenmontags Ramadan, Ankündigung von Neuwahlen im Parlament, gleichzeitig irgendein jüdischer Feiertag & Jerusalem Day, der Jahrestag, an dem zum ersten Mal Juden wieder Ostjerusalem betreten konnten & die israelische Flagge auf dem Tempelberg gehisst wurde, nachdem die Stadt im Sechstagekrieg komplett erobert wurde. Ohne es zu wissen, versuchten wir ausgerechnet am frühen Morgen dieses Jerusalem Days auf den Tempelberg zu gelangen, den heiligsten Ort der Juden und die drittheiligste Stätte des Islam. Um totale Eskalation im Kampf um die Vorherrschaft auf diesem „Berg“, der eigentlich keiner mehr ist, zu vermeiden, gibt es für jede Religion & für Touristen eigene Besuchszeiten. Während wir ahnungslos zwischen feiernden Juden vergeblich auf Einlass warteten, bewarfen dort oben hunderte Muslime etwa 120 Juden mit Steinen & Stühlen, bis die Polizei mit Gummigeschossen gegen die Randalierer vorging. Als wir später dann doch noch auf den Tempelberg gelassen wurden, herrschte immer noch eine aufgeheizte Stimmung: Bestimmte Bereiche des Areals durften wir nicht betreten, während einige Gruppen Juden – bewacht von Soldaten mit Maschinengewehren – auf dem Berg umherspazierten und von den Muslimen mit „Allahu Akbar“ – Rufen empfangen wurden.

Bethlehem

Als wir uns später ins friedlichere Betlehem aufmachten, das sich im Westjordanland befindet, wurde hinter uns aus Sicherheitsgründen die Grenze dicht gemacht. Da keine Busse mehr nach Jerusalem passieren konnten, machten wir uns zu Fuß auf die Rückreise. Am ersten Checkpoint wurden wir von den israelischen Grenzsoldaten abgewiesen. Nun standen wir etwas ratlos vor der 8 m hohen und fast 800 km langen Grenzmauer zwischen Israel und Westjordanland. Am zweiten Checkpoint wurden wir als einzige Ausländer zusammen mit unzähligen Palästinensern unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wie Sardinen durch den Grenzübergang gequetscht. Nach wenigen Kilometern Fußmarsch gen Jerusalem befand man sich wieder in einer idyllischen Vorstadt. Das Leid der Palästinenser erschien nun wieder sehr weit entfernt…

Trotz der angespannten Sicherheitslage war es eine sehr schöne und interessante Reise durch Israel. Es gibt dort eine unglaubliche Anzahl an historischen und religiösen Stätten zu besichtigen. Auch das Couchsurfen funktionierte problemlos, solange man in der Lage war, einen Gastgeber zu finden. So sparten wir so einige Male Übernachtungskosten, was in diesem teuren Land sehr hilfreich war. Zudem ist es immer gut, einheimische Ansprechpartner zu haben, welche einem Insider-Tipps geben oder wissen, wo was los ist. Außerdem erhält man so gute Einblicke ins tägliche Leben der Einheimischen. Die Israelis waren teilweise sehr interessiert, wie das Leben in Jordanien ist. Kaum jemand hat je das verfeindete Nachbarland betreten.

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