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Beiträge unserer „Zugvögel“

Ein Auslandssemester in Argentinien

Ich heiße Julia und studiere den Master Interkulturelles Unternehmens- und Technolo- giemanagement an der OTH in Weiden. Im Wintersemester 2024 habe ich am deutsch- argentinischen Austauschprogramm teilgenommen und an der Universidad Nacional de Cuyo in Mendoza studiert.

Vorbereitung
Auf das Austauschprogramm zwischen der OTH Amberg-Weiden und der Universidad Na- cional de Cuyo (UNCUYO) bin ich durch eine Infoveranstaltung des International Office (IO) im Wintersemester 2023 aufmerksam geworden. Für mich war klar, dass ich während meines Masters an der OTH nochmal die Chance nutzen möchte, ein Semester im Aus- land zu studieren. Durch erste Recherchen, mehrere Beratungsgespräche im IO und die Ermunterung meiner Familie wurde jedoch langsam, aber sicher meine Neugierde auf Argentinien und Südamerika geweckt. Zuallererst durchlief ich den internen Bewerbungsprozess an der OTH, die mir nach Ablauf der Bewerbungsfrist schnell eine Zusage für das Austauschprogramm und einen Studienplatz an der argentinischen Partneruniversität gab. Danach erfolgte in einem zweiten Schritt die Bewerbung an der UNCUYO innerhalb der ausgeschriebenen Bewerbungsfrist. Hierbei musste ich u.a. einen Notendurchschnitt, eine Carta de Nominación für den Studienplatz und ein Nachweis meiner Spanischkenntnisse (mindestens B2) einreichen. Außerdem wurde ich aufgefordert, für die Dauer meines Auslandssemesters, in meinem Fall sechs Monate, ein Studienvisum zu beantragen. Dafür erhielt ich von der argentinischen Partneruniversität zeitnah eine genaue Anleitung, wo und wie ich vorab online ein Visum beantragen konnte. Parallel dazu war auch die Finanzierung des Auslandssemesters abzuklären. Glücklicherweise wurde das deutsch-argentinischen Austauschprogramm von Seiten des Deutsch-Argentinischen Hochschulzentrums mit dem Stipendium I.DEAR – Ingenieros Deutschland-Argen- tina gefördert, für das ich mich ebenfalls beworben habe. Nach Zusage der UNCUYO und des Stipendiums ging es dann auch schon an die Vorbereitung für mein Auslandssemes- ters wie zum Beispiel die Suche eines Zimmers in Mendoza, der Besuch eines Spanisch- Auffrischungskurses und die Buchung der Flüge nach Argentinien. Bei den Vorbereitun- gen hat mir auch sehr der Kontakt zu argentinischen Austauschstudenten an der OTH in Amberg und zu deutschen Austauschstudenten in Argentinien geholfen, die mir wertvolle Tipps und Ratschläge mitgegeben haben. Man kann sich wohl nie in angemessenem Maße für einen Auslandsaufenthalt in einem noch fremden Land vorbereiten, jedoch hal- fen die Gespräche und Ratschläge sehr, erste Fragen und Unsicherheiten zu klären und nicht mehr ganz so nervös und aufgeregt die Reise anzutreten.

Ankunft in Argentinien
Anfang August 2024 flog ich dann endlich nach Argentinien, da das Wintersemester dort schon Mitte August begann. Die Ankunft in Mendoza war sehr herzlich, da mich meine argentinische Tutorin am Tag meiner Ankunft am Flughafen erwartete und mich willkommen hieß. Im Rahmen des von der UNCUYO organisierten Tutorenprogramms für Austauschstudenten hatte ich schon frühzeitig Kontakt mit meiner Tutorin, die mir sehr bei meiner Vorbereitung und Eingewöh- nung an der Universität und den unterschiedlichen Fakultäten half. Gerade in den ersten Tagen in einer neuen Stadt und ungewohnten Umgebung war sie eine sehr große Hilfe für mich, um mich besser zu- rechtzufinden und Kontakte zu Einheimischen aufzubauen. Zusammen mit ihr lernte ich die Innenstadt von Mendoza kennen, kaufte eine Busfahrkarte für den Weg zur Uni und habe wertvolle Tipps in Bezug auf das Leben und die Sicher- heit in der Stadt erhalten. Ich war positiv überrascht und auch sehr dankbar, dass die ar- gentinischen Studenten und Einheimischen sehr freundlich und hilfsbereit waren und ich mich schnell an den neuen Lebensrhythmus anpassen konnte. Ich möchte gerade die Anfangszeit mit meiner Tutorin nicht missen und kann zukünftigen Austauschstudenten die Anmeldung für das Tutorenprogramm an der UNCUYO sehr empfehlen, da man so einen Ansprechpartner für alle wichtige Frage zur Seite gestellt bekommt und schnell Kontakte mit einheimischen Studenten knüpfen kann. Zudem wurden wir Austauschstudenten sehr herzlich von der Universität und den Fakultäten empfangen. Nach einem allgemei- nem Begrüßungstag und Einführungsveranstaltung, gab es gesonderte Kennenlerntreffen an den einzelnen Fakultäten, wodurch man sich schnell mit anderen Austauschstuden- ten ähnlicher Studiengänge oder Kurse vernetzen konnte und wichtige Ansprechpartner an der Universität kennenlernte. Gerade in den ersten vier Wochen gab es viele neue Ein- drücke und Erfahrungen, die man ganz auf sich gestellt verarbeiten musste und es war schön zu wissen, dass man bei Fragen und Problemen auf ein Netzwerk von Tutoren, ein- heimische Studenten, Professoren, Mitarbeiter der Universität und andere Austauschstu- denten zurückgreifen konnte.
Für mich als deutsche Austauschstudentin waren in der Anfangszeit vor allem die kulturellen Unterschiede, wie zum Beispiel ein anderer Tagesablauf, Essgewohnheiten, soziales Leben und akademische Struktur sowie eine andere Sprache und daraus resultierende Verständigungsprobleme große Herausforderungen. Das Leben in Argentinien und insbesondere in Mendoza ist geprägt von den wirtschaftlichen und politischen Turbulen- zen der letzten Jahrzehnte und stabilisiert sich erst jetzt langsam, aber stetig. Obwohl die Städte stark vom Einfluss der Einwanderer aus Spanien, Italien und anderen europäi- schen Ländern geprägt sind und manchmal fast ein europäisches Flair besitzen, gibt es bezüglich der zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln sehr starke Unterschiede. Manche Straßen und Wohngegenden sind sehr gepflegt, andere Gegenden sind dagegen eher heruntergekommen und es fehlt an nötiger Infrastruktur. Auch unter den Studenten findet man ein breites Spektrum von sozialen Hintergründen, die einen sensibler für unterschiedliche Lebenssituationen machen. Nichtsdestotrotz erliegt man schnell dem etwas eigenwilligen Charme der argentinischen Lebenskultur, man genießt einfach den Moment und das, was man gerade vorfindet – ein starker Kontrast zur deutschen Denk- weise und möglicherweise auch eine der größten Herausforderungen für deutsche Aus- tauschstudenten in Argentinien. Nicht alles ist verfügbar oder nur in begrenztem Maße, das merkt man auch schnell in Supermärkten, in denen bestimmte Lebensmittel wie zum Beispiel Eier oder Milchprodukte nicht angeboten oder unter Umständen schon ausver- kauft sind. Auch gibt es Alltagsgüter, die plötzlich aufgrund der Inflation und überteuerten Preisen zu Luxusgütern werden wie zum Beispiel Kleidung, Küchenutensilien oder Plastikboxen für Lebensmittel. Deswegen ist es ratsam, die manchmal überwältigenden Un- terschiede eher anzunehmen, als verbissen an dem gewohnten europäischen Lebensstandard festzuhalten. Leider wird vor allem im öffentlichen Sektor an vielen Stellen drastisch gespart oder es stehen einfach keine finanziellen Mittel zur Verfügung, dies merkt man vor allem an manchmal fragwürdigen Hygienestandards, veralteter Infrastruktur oder fehlendem Toilettenpapier auf Toiletten. Trotz der zugegebenermaßen vielen Kultur- schocks bieten Land und Leute eine Fülle an atemberaubenden Landschaften, Traditio- nen und mitreißender Lebensfreude, sodass man sich bald nicht mehr ganz so fremd fühlt. Argentinien ist nicht umsonst das Land des Fußballs, des Tangos und des Asados (BBQ), die trotz der eigenwilligen Mischung sehr gut zueinander passen.


Leben an der Universidad Nacional de Cuyo
Das Studium an argentinischen Universitäten ähnelt dem deutschen System, jedoch gibt es einige Unterschiede. Studiengänge sind nicht nach dem Bachelor/Master-System aufgebaut, sondern werden unterteilt in Grado (Bachelorniveau) und Posgrado (Master/Diplomniveau). Grado-Studiengänge gehen meist vier bis fünf Jahre und sind damit länger und in- haltlich intensiver als normale Bachelor-Studien- gänge in Deutschland. Es ist keine Seltenheit, dass man vier bis fünf Stunden Blockunterricht in einem Kurs hat, die jedoch meist schneller vergehen, als es den Anschein hat. Auch starten die Vorlesungen übli- cherweise eher nachmittags gegen 14/15 Uhr und können sich bis abends um 21 Uhr ziehen. Vormittags finden meist keine Vorlesungen statt, dies ist aber je Studiengang und Fakultät unterschiedlich. Für Austauschstudenten werden vormittags Sprachkurse angeboten, die sehr hilfreich sein können, um seine Spanisch-Kenntnisse zu vertiefen und die Kultur Argentiniens besser kennenzulernen. Mir hat der Sprachkurs geholfen, besser in den Vorlesungen mitzukommen und die Angst vor Präsentation und Prü- fungen abzubauen. Auch das Prüfungsformat unterscheidet sich in Argentinien. Während wir an deutschen Universitäten und Hochschulen meist zu Ende des Semesters Prüfungen, Abgaben und Präsentation haben, gibt es an argentinischen Universitäten sogenannte Parciales (Zwischenprüfungen) und Examenes (Abschlussprüfungen am Ende des Semesters). Die Zwischenprüfungen finden regelmäßig alle paar Wochen statt, um einzelne Lehrinhalte abzuprüfen und können unter Umständen relativ umfangreich aus- fallen. Es lohnt sich jedoch, diese Parciales ernst zu nehmen und entsprechend zu lernen, weil man sich oft Extrapunkte für die Abschlussprüfung sichern oder eine Promoción erreichen kann, bei der einem durch die guten Leistungen in den Parciales die Abschluss- prüfung erlassen wird. Auch gibt es immer die Möglichkeit, verpatzte Parciales zu wieder holen und dadurch sein Ergebnis zu verbessern. Die Prüfungsphase heißt Mesa und es gibt meist verschiedenen Mesas vor, während und nach einem Semester, in denen Studierende Prüfungen ablegen und nachholen können. Begleitet werden Parciales und Exa- menes auch von Präsentationen und kleinen Studienarbeiten, wodurch das Lern- und Arbeitspensum etwas höher ist als in Deutschland. Es ist daher ratsam, nur 3 bis 4 Kurse pro Semester zu belegen, um noch genügend Freizeit für andere Aktivitäten außerhalb der Uni zu haben.
Da die UNCUYO eine sehr große und bekannte Universität in Argentinien ist, gibt es viele interessante studienbegleitende Angebote, eine große Bibliothek und eine Mensa. Die Universität betreibt ein eigenes Sportzentrum mit einer großen Auswahl an Sportarten, für die man sich kostenlos oder gegen eine kleine Gebühr einschreiben kann. Auch werden Outdoor-Aktivitäten wie Wanderausflüge in die Anden organisiert, was sich auf jeden Fall lohnt, um die atemberaubende Region rund um Mendoza besser kennenzulernen. Zudem gibt es verschiedene Kunst- und Musikfestivals, die zusätzlich zu Veranstaltungen in der Stadt im Laufe des Studienjahres auf dem großen Campus organisiert werden – ein Besuch lohnt sich! Der Zusammenhalt unter den Studierenden ist groß und jede Fakultät hat ein oder gleich mehrere Studierendenvertretungen, die sich für unterschiedliche Belange einsetzen und zahlreiche Aktivitäten anbieten – es wird also während des Studierens nicht langweilig. Oft laden die Studierenden einen gerne zum gemeinsamen Mate-Trinken ein, das traditionelle Tee-Getränk, das in einem runden Becher mit Metallröhrchen getrunken wird und tief in der Kultur der Argentinier verankert ist. Es kommt nicht selten vor, dass Mate während der Vorlesungen getrunken wird und auch mit Professoren geteilt wird. Mate ist das Nationalgetränk für alle Lebenslagen, nicht nur in der Uni. Das Universi- tätsgelände und die ausgelagerten Fakultäten verfügen zudem über große Grünflächen, die im Frühling und Sommer von den Studenten gerne genutzt werden. Jedoch sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass es sich zum größten Teil um öffentlich zugängliches Gelände handelt und Handys, Taschen, Laptops und andere Wertsachen immer beauf- sichtigt und möglichst in Körpernähe getragen werden müssen. Insgesamt bietet die UNCUYO eine große Auswahl an interessanten Studienfächern, ein breit gefächertes Sport- und Kulturangebot, das die besten Voraussetzungen für ein abwechslungsreiches Auslandssemester bieten.

Mendoza und Umgebung
Mendoza befindet sich im Westen von Argentinien am Fuße der Anden und ist gleichzeitig die Hauptstadt der Provinz Mendoza. Die Stadt zählt mit knapp einer Million Einwohner zu den größeren Städten außerhalb von Buenos Aires und ist eines der bekanntesten und größten Weinbaugebiete Argentiniens. Die Innenstadt von Mendoza ist geprägt durch fünf große Plazas, die das Stadtbild beherrschen. Jede Plaza ist einem für die Unabhängigkeit von Argentinien bedeutenden Ereignis gewidmet und kunstvoll mit Wasserfontänen be- baut. Am Wochenende findet abends auf dem Plaza de la Independencia zudem immer ein großer Kunstmarkt statt, der zum abendlichen Spaziergang einlädt. In den vielen Straßen tummeln sich Läden und Restaurants, die bis spät in die Nacht hell erleuchtet sind – die Argentinier essen gewöhnlich erst gegen 22 Uhr abends. Kleine Cafés laden nachmittags zur Merienda ein, einer kleinen Pause zum Kaf- feetrinken und Vernaschen köstlicher Alfajores und Medialunas, die argentinische Version von Croissants. Verlässt man die geschäftige Innenstadt, kann man außerhalb der Stadt die beeindruckenden Ausläufer der Anden erblicken, Cordillera de los Andes, die je nach Jahreszeit mit Schnee bedeckt ist. Durch die Wasserversorgung aus den Flüssen und Gletschern der Anden und ein teils wüstenartiges Klima mit kalten trockenen Wintern und heißen Sommern bietet die Gegend optimale Bedingungen für den Weinbau. Die Weinkultur ist bestimmender Faktor im Leben der Mendocinos (Spitzname der Einheimischen von Mendoza) und abgesehen von ein paar anderen Industriezweigen dreht sich wirtschaftlich fast alles um den Anbau und Verarbeitung von Wein in den über tausend kleinen Bodegas in der Region. Der Höhepunkt des Jahres ist die Fiesta Nacional de la Vendimia, ein jährliches, traditionelles Fest in Mendoza, das die Weinlese und die Weinindustrie feiert. Viele Reiseagenturen bieten geführte Tagestou- ren durch bekannte Weingüter in der Region mit Verkostung von Malbec-Weinen, dem vollmundigen Rotwein aus Argentinien. Etwa 1,5 Stunden westlich von Mendoza befindet sich auch der Aconcagua, der mit über 6900 m der höchste Berggipfel Amerikas und der höchste außerhalb des Himalayas ist. Im Süden der Provinz Mendoza erstreckt sich eine bergige Hochebene, durchzogen von Flüssen, Seen sowie Weinbergen. Insgesamt bietet die Region für jeden Geschmack und Jahreszeit etwas, ob Wandern oder Skifahren in den Anden, Rafting und Schwimmen in Bergseen und -flüssen oder einfach eine Tour durch die Weinberge.

Abschließend kann ich sagen, dass das Auslandssemester in Argentinien mir die einmalige Chance geboten hat, das Land, die Kultur und viele herzliche Menschen kennenzulernen. Das Studium an der UNCUYO hat mir einen neuen Blickwinkel auf die aktuellen Probleme unserer Zeit ermöglicht, losgelöst von der dominierenden europäischen Sichtweise. Die Lebensrealität in Südamerika ist eine andere als in Deutschland und hat mich zum einen tief betroffen gemacht, jedoch auch gelehrt, das zu schätzen, was man hat. In diesem Sinne kann ich jedem Studierenden empfehlen, den Schritt nach Argentinien zu wagen – es wird auf vielen Ebenen bereichernd sein!
 

Fakultät der UNCUYO
Plaza San Martin in Mendoza
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