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Neuer Blick aufs Krankenhaus

10. Kaminabend an der OTH in Weiden

| Alexander Seidl | 
Prof. Dr. Andreas Schmid, Dipl.-Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth
Hielt den Einführungsvortrag ebenso informativ wie kurzweilig: Prof. Dr. Andreas Schmid, Dipl.-Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth

Wer die bereits jahrzehntelang laufenden Debatten zur Gesundheitspolitik verfolgt, kennt das Mantra: „Es gibt zu viele kleine Krankenhäuser – ein Großteil der Kliniken kann geschlossen werden.“ Und tatsächlich werden es Jahr für Jahr weniger – allerdings nur in der Statistik. Denn Häuser, die in einen Konzern oder Verbund aufgenommen werden, verschwinden auf dem Papier, aber nicht in der Wirklichkeit.

Prof. Dr. Andreas Schmid, Dipl.-Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth
Hielt den Einführungsvortrag ebenso informativ wie kurzweilig: Prof. Dr. Andreas Schmid, Dipl.-Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth

Grund genug für Prof. Dr. Andreas Schmid von der Universität Bayreuth, die Situation der Krankenhauslandschaft genau unter die Lupe zu nehmen. Der Gesundheitsökonom hielt den Eröffnungsvortrag beim 10. Kaminabend der Medizintechnik der OTH Amberg-Weiden am Standort Weiden. Wie immer war die Veranstaltung auf dem Podium und im Publikum hochkarätig besetzt mit Gästen aus der Politik, der Wissenschaft und der Gesundheitswirtschaft. Sie diskutierten die Frage, ob das Krankenhaus im ländlichen Raum eher der Anker der Versorgung oder ein überflüssiges Relikt sei.

Andreas Schmid zeigte auf, dass durchaus einiges dafürspräche, die Zahl der Häuser zu reduzieren: Ambulantisierungspotentiale seien bei weitem noch nicht ausgeschöpft, zu kleine Einheiten könnten die Finanzierungen kaum noch stemmen, die kostendeckende Auslastung bestehender Strukturen ist z.B. aufgrund des demografischen Wandels manchmal nur schwer möglich, kleine Krankenhäuser sind folglich häufig defizitär, tendenziell wird in großen Häusern keine bessere Medizin angeboten, doch insbesondere in der Einschätzung der Patienten bieten sie mehr Sicherheit durch Spezialisierung und ein umfangreiches Spektrum von Fähigkeiten.

Oft wird Seitens der Kommunalpolitik argumentiert, die Schließung eines Krankenhauses habe erhebliche negative wirtschaftliche Effekte für die ganze Gegend. Diese Ansicht widerlegte Schmid. In Bayern bezöge jedes Krankenhaus im Durchschnitt eine jährliche Investitionsförderung von 1,5 Millionen Euro. Die Bruttowertschöpfung liege bei 22 Millionen Euro. Im Durchschnitt biete ein Krankenhaus 321 Beschäftigen Lohn und Brot. Alles qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die schnell neue Jobs finden dürften. Zusammenfassend werde die wirtschaftliche Bedeutung der kleinen Krankenhäuser weit überschätzt, so Andreas Schmid. In der Stadt Amberg trage das Klinikum beispielsweise nur 1,1 Prozent zur gesamten Wirtschaftskraft bei.

Diesen Befunden stehe jedoch entgegen, dass die (Kommunal-)Politik die Versorgung in der Fläche auf jeden Fall sicherstellen möchte. Krankenhausschließungen, konstatierte Schmid, seien beim Wähler eben „maximal unbeliebt“.

Dennoch bestünden Möglichkeiten: Während man in Ballungsräumen kleine Häuser schließen könne, müsste man auf dem Land neue Wege finden. Denn bleibe man beim herkömmlichen Verständnis eines Krankenhauses als Gebäude stehen, könne man die Frage „Anker oder Relikt“ nicht beantworten. Für Prof. Dr. Clemens Bulitta, Leiter des Instituts für Medizintechnik (IfMZ) an der OTH in Weiden, müssten stattdessen leistungsstarke Versorgungsstrukturen im Mittelpunkt stehen. Diese zu sichern, sei Aufgabe der Politik betonte Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß.

Er beklagte, dass es keinen bayerischen Masterplan für die Entwicklung gebe. So könnten die Kommunen nicht von unten nachhaltige Strukturen entwickeln. Bei denen wiederum gehe es um die Versorgungssicherheit, meinte der Neustädter Landrat Andreas Meier. Wenn den Bürgern im Notfall rasch geholfen werden könne, würden diese sich auch ohne Krankenhaus in der Nachbarschaft sicher fühlen. Ein abgestuftes System von Versorgungszentren in der Fläche, so Prof. Dr. Andreas Schmid, Dipl.-Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth, sei die Option für die Zukunft.

Prof. Dr. Steffen Hamm, Professor an der OTH Amberg-Weiden und Geschäftsstellenleiter der Gesundheitsregionplus Nordoberpfalz, rief die Akteure vor Ort zu selbstbewusstem Handeln auf. Die OTH Amberg-Weiden sei das Kompetenzzentrum, mit dem man die Dinge strukturell und erfolgreich angehen könne.

Vernetzte ambulante Leistungszentren, eventuell sogar mit Übernachtungskapazitäten, eine wohnortnahe Versorgung durch Hausärzte und überregionale spezialisierte Fachzentren für schwere Fälle ermöglichten im Zusammenwirken beste medizinische und ökonomische Lösungen. Eine Vision, der auch Dr. Thomas Egginger, Ärztlicher Direktor der Kliniken Nordoberpfalz AG, etwas abgewinnen konnte. Zusätzlich plädierte er für eine bürokratische Entschlackung – schließlich wollten sich Ärzte und Pfleger um Patienten kümmern und keine Listen ausfüllen.

Kurt Seggewiß, Dr. Thomas Egginger, Prof. Dr. Andreas Schmid, Prof. Dr. Steffen Hamm und Prof. Dr. Clemens Bulitta
Podiumsdiskussion: Kurt Seggewiß, Dr. Thomas Egginger, Prof. Dr. Andreas Schmid, Prof. Dr. Steffen Hamm und Prof. Dr. Clemens Bulitta
Prof. Dr. Clemens Bulitta leitet das Institut für Medizintechnik und moderierte als Gastgeber den Kaminabend.
Prof. Dr. Clemens Bulitta leitet das Institut für Medizintechnik und moderierte als Gastgeber den Kaminabend.
Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (links) und Dr. Thomas Egginger, Ärztlicher Direktor der Kliniken Nordoberpfalz AG
Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (links) und Dr. Thomas Egginger, Ärztlicher Direktor der Kliniken Nordoberpfalz AG
Prof. Dr. rer. pol. Steffen Hamm (links) und Prof. Dr. med. Clemens Bulitta von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen
Prof. Dr. rer. pol. Steffen Hamm (links) und Prof. Dr. med. Clemens Bulitta von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen
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