Wintersemester 2023/24
SPIRITUELLER IMPULS zum Semester-Start am 04.10.2023
(08:30 Uhr Audimax/Siemens-Innovatorium; Auszüge)
Was geht Dir gerade durch den Kopf, am Start ins Studium, zu Beginn des neuen Semesters? – Von woher bist Du heute gekommen? Was hast Du mitgebracht, an Gedanken und Gefühlen? Was bewegt Dich? Wir versuchen, all das stellvertretend für Euch vor Gott zu bringen.
Gebet
Guter Gott, alles, was wir heute im Kopf, im Herzen oder im Bauch haben, nehmen wir jetzt mit herein in diese Besinnung. Wir legen es in deine Hand. Wir bitten dich um deine Kraft und Nähe für uns und alle, die uns wertvoll und wichtig sind. Wir bitten dich um einen fantasievollen Geist, um ein gutes Miteinander von Lehrenden und Studierenden, um eine friedvolle, frohe und fruchtbare Zeit hier an dieser Hochschule.
Bibelstelle (Psalm 147, Verse 1-6a)
Im Buch der 150 Psalmen (eine Art ‚geistlichen Liederbuchs‘ im ersten Teil der Bibel, dem „Alten Testament”) findet sich dieser Text, den vor vielleicht 2.500 Jahren ein gläubiger Mensch in hebräischer Sprache geschrieben hat (hier wiedergegeben in der „Gute Nachricht”-Übersetzung).
Preist den HERRN!
Ja, es ist gut, unserem Gott zu singen;
es macht Freude, ihn mit Liedern zu preisen!
Der HERR baut Jerusalem wieder auf,
die aus Israel Verschleppten bringt er wieder heim.
Er heilt alle, deren Herz zerrissen ist, und verbindet ihre Wunden.
Er allein kennt die Zahl der Sterne, er ruft sie alle mit Namen.
Unser Herr ist gewaltig, groß ist seine Macht,
seine Einsicht hat keine Grenzen.
Die Erniedrigten richtet er auf […].
Meditation
zum Bild: https://shop.gottesdienstinstitut.org/klappkarte-kintsugi.html
Moment mal – „Fragen, Fragmente, ….!?“
Was soll diese Überschrift, heute zum Start ins Studium, ins neue Semester? Ist das nicht Themaverfehlung?
Zugegeben: Unser Leben läuft oft nicht nur glatt und gefahrlos dahin. Es gibt Momente, die Fragen aufwerfen – nicht nur dann, wenn wir einen neuen Lebensabschnitt beginnen wie heute… Auch dann, wenn wir spüren, dass unser Leben eigentlich immer Stückwerk bleibt oder plötzlich was zu Bruch geht: „Fragen, Fragmente, Momente…“ Ja, das ist ein Stück Realität! Und manchmal ist ein Bruch zum „Durch-Bruch“ geworden!
Auch große Flächen und Fassaden gestalten gute Architekten nicht nur glatt und einförmig, sondern durchbrechen sie. Dadurch wirken sie nicht ganz so bombastisch und Furcht einflößend. (Unsere Hochschulgebäude z.B. haben Fronten, die nicht aus brutalen eintönigen Betonmauern gebaut, sondern in ihrer Fläche immer wieder fein gegliedert, sozusagen „durchbrochen“ sind.)
In Japan gibt es eine künstlerische Technik, die bewusst Brüche hervorhebt: „Kintsugi“. Das könnt Ihr auf der ausgeteilten Karte sehen! Wie unterschiedlich sind die beiden Seiten: Links golden gestaltete Risse, rechts die nicht hervorgehobenen Risse. Auch links steht der Künstler zu all dem, was an Fragmenten und Fragen, an Unperfektem da ist. Er kann die Chancen darin sehen, dass gebrochenes zum Ganzen gehört. Es wird nicht weggedrängt oder kaschiert, damit etwas vermeintlich glatt und menschlich-perfekt da ist.
Auch das Scheitern, die vielen Fragen und Brüche gehören dazu. Die Technik von Kintsugi hebt sie gerade hervor und kaschiert nicht. So geschieht Heilung vielleicht anders als wir es gemeinhin denken. Oft denken wir, es muss nur so repariert werden und läuft dann wie vor dem Bruch weiter. Bei Maschinen und Technik mag dies auch so richtig sein.
Aber bei uns Menschen – mit Gefühlen und Verstand, aus Leib und Seele? Der Psalmbeter, haben wir vorhin gehört, schreibt Gott zu:
„Er heilt alle, deren Herz zerrissen ist, und verbindet ihre Wunden.“
Nicht nur Flächen, Gefäße oder technische Geräte können zerbrechen, sondern eben auch Menschen und deren Herzen. Ist hier jemand im Saal, der das noch nie erlebt hat…!? Doch wie gehen wir mit diesen Brüchen um? Trauen wir uns sie zu zeigen? Ja! Als gläubige Menschen wollen wir sie ehrlich hervorheben, sie nicht kaschieren, verdrängen, vielleicht so tun „als ob“, sondern das Leben weiter gestalten mit allem, was uns ausmacht.
In der jüdischen Kultur gibt es eine Situation, in der Glas bewusst zerbrochen wird, verbunden mit dem Wunsch nach Glück mit den Worten „Mazel tov“. Hier wird das Zerbrechen bewusst gestaltet in einem Fest am Übergang des Lebens. Es ist nach der Hochzeitsfeier, wenn die Feiernden aus der Synagoge herausgehen, das frisch vermählte Paar zwei Gläser mit Wein gereicht bekommt, und diese Gläser nach dem Austrinken an die Mauer wirft, so dass die Scherben zu Boden fallen. „Mazel Tov!“ sagen alle dazu. Bei der ehemaligen Synaoge in der Nachbarstadt Sulzbach-Rosenberg ist an der Nordmauer noch der sogenannte „Hochzeitsstein“ erhalten (übrigens nur noch als Fragment, da er 1934 beschädigt wurde…): An diese Stelle hat das Brautpaar die Gläser hingeworfen, dort sind sie zerschellt, und die Scherben sind zu Boden gefallen. „Mazel tov“ sagten dann alle: „Gut Glück!“
So lasst uns diesen Übergang in eine neue Zeit bewusst mit allem, was dazu gehört, feiern: „Mazel tov“, trotz aller (MIT allen!) Scherben unseres Lebens. Wir brauchen unsere Fragen / Fragemente keinen Moment zu verstecken… Viel Glück und Segen für Ihre Wirken und Arbeiten, für Euer Lehren und Lernen an unserer Hochschule!
(Christiane Weber, Bearbeitung/Ergänzung: Markus Lommer)
(Für)Bitten
1. Gott, dich sprechen wir an als belebende Kraftquelle für unsere Wegstrecken. Wir denken an unsere Ziele und Vorhaben, die vor uns liegen.
2. Gott dich sprechen wir an als heilende Hilfe für unsere Verletzungen. Wir denken an unsere gesundheitlichen Sorgen, die uns beeinträchtigen.
3. Gott, dich sprechen wir an als beständige Begleitung für unsere Herausforderungen. Wir denken an unsere Prüfungen, für die wir lernen und die wir erarbeiten müssen.
4. Gott, dich sprechen wir an als versöhnende Brücke für unsere Auseinandersetzungen in diversen Gesprächen. Wir denken an angemessene Information mit empathischen Formulierungen.
5. Gott, dich sprechen wir an als schöpferische Energie für unsere abgebrochenen Kontakte. Wir denken an Konflikte in den Familien und bei vergangenen Beziehungen.
6. Gott, dich sprechen wir an als lebendige Hoffnung für unsere schlimmen Erinnerungen. Wir denken an bohrende Zuschreibungen und Verletzungen, die uns immer noch beschäftigen.
7. Gott, dich sprechen wir an als liebevolles Gegenüber für unser Herz. Wir denken an alles ehrliche Lob und unterstützendes Handeln, damit wir unseren Weg finden.
Segen:
Wir wünschen Euch, dass Gottes Segen jetzt mit Euch hinausgeht in diesen Tag, in dieses neue Stück Leben – dass er Euch alle liebevoll begleitet.
Gott schenke Gelassenheit und Geduld, wenn die Gedanken schwer werden.
Gott erhalte die wärmende Liebe für andere so dass auch sie zugewandte Herzen erleben können.
Gott bewahre vor allem Bitteren, und wenn es eintritt, gebe er die Kraft es auszuhalten.
Gott schenke immer wieder ein Lächeln und begleite durch diese letzten warmen Herbsttage.
So gebe Gott seine Segenskraft zu jedem neuen Tag, Dankbarkeit am Abend und Schlaf in der Nacht – der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Amen.