Nachhaltigkeit in der Forschung
Institut für Angewandte Forschung IAF
Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens im DFG-Förderhandeln
Umsetzung des DFG-Positionspapiers vom Juni 2023
Vorbemerkung
Nachhaltige Entwicklung wird an der OTH Amberg-Weiden als gesamtinstitutioneller Ansatz (Whole Institution Approach) verstanden und umfasst die Handlungsfelder Lehre, Forschung, Campusmanagement, und Transfer. Im Bereich der Forschung hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den Gedanken der Nachhaltigkeit im Juni 2023 in ihrem Förderhandeln auf Basis der Empfehlungen einer Präsidialkommission verankert, Empfehlungen erarbeitet und einen unterstützenden Leitfragenkatalog veröffentlicht (vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens im DFG-Förderhandeln, Bonn, Juni 2023). Die OTH Amberg-Weiden befürwortet die Initiative der DFG zum Aspekt Nachhaltigkeit in der Forschung.
Mit dem Ziel der Erarbeitung eines sachgerechten, überfachlichen und rechtlich abgesicherten Zugangs zur grundsätzlichen Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgedankens im gesamten DFG-Förderhandeln richtete das Präsidium der DFG im November 2021 die Präsidialkommission „Nachhaltigkeit“ ein.
Dies berücksichtigend regte die Präsidialkommission an, den Nachhaltigkeitsgedanken auf Antragsebene zu verankern. Die unmittelbare Ansprache der Antragstellenden (Forschende und Institutionen) und mittelbar damit auch der Mitarbeitenden im Projekt verspricht eine breite Einbeziehung der wissenschaftlichen Communities. Neben der Breitenwirkung wird zugleich das Prinzip der Eigenverantwortung der individuellen und institutionellen Antragstellenden im Bemühen um ressourcenschonende und emissionsarme Forschungspraktiken gestärkt.
Die Präsidialkommission sieht bei der Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens im Förderhandeln der DFG zunächst die ökologische Nachhaltigkeit im Vordergrund. Als Operationalisierung schlug die Präsidialkommission für alle DFG-Förderprogramme die Aufnahme einer verpflichtenden Reflexion der Antragstellenden zu umwelt- und ressourcenschonenden Vorgehensweisen im Forschungsprozess in die Zusatzinformationen der Anträge vor.
Dabei ist mit einer Reflexion der Antragstellenden gemeint, dass diese ihre – bezüglich der Projektplanung getätigten – Überlegungen zu Nachhaltigkeitsaspekten des Forschungsprozesses, beispielsweise zu etwaigen Minderungspotenzialen und / oder alternativen Vorgehensweisen, schlank und nachvollziehbar im Antrag darlegen.
Die Antragstellenden dokumentieren damit ihre Befassung mit dem Themenkomplex und können auch auf noch offene Fragestellungen zur Erzielung nachhaltiger Forschungsprozesse sowie auf etwaige Zielkonflikte hinweisen.
Nachhaltigkeit in der von der DFG geförderten Forschung
Klimaschutz sowie Umwelt- und Ressourcenschonung sind existenzielle Anforderungen, die in alle gesellschaftlichen Teilsysteme, so auch in die Wissenschaft, hineinreichen. Die DFG – gemeinsam mit den anderen Allianzorganisationen der Wissenschaft – bekennt sich zu ihrer Verantwortung, in ihrem Förderhandeln und in ihrer Mitgestaltung der Rahmenbedingungen für die Wissenschaft die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsaspekten in den Forschungsprozessen zu anzuregen.
Deshalb hat eine von der DFG eingerichtete Kommission Empfehlungen erarbeitet, wie Nachhaltigkeitsaspekte sachgerecht, über alle Fächergrenzen hinweg und in Abwägung zur Wissenschaftsfreiheit, berücksichtigt werden können. Dabei soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Forschungsprojekte aller Fachbereiche möglichst nachhaltig durchgeführt werden, ohne die Qualität und Inhalte der Forschung zu mindern oder zu beeinflussen. Der Fokus der Empfehlungen liegt auf der ökologischen Nachhaltigkeit, ohne die Wechselbeziehungen zu anderen Dimensionen wie der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit außer Acht zu lassen.
Die Verantwortung für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Forschungsprozessen, im Sinne der Vermeidung von Emissionen (nicht nur von Treibhausgas) und der Ressourcenschonung, ist mit jeweils spezifischem Handlungsrahmen auf unterschiedlichen Ebenen verortet: erstens auf der Ebene der einzelnen Forschenden bzw. antragstellenden Institutionen im Kontext des Forschungsvorhabens, zweitens auf der Ebene der Beteiligten an der Forschungsbewertung und Förderentscheidung. Drittens setzen wissenschaftliche Einrichtungen auf der institutionellen Ebene die Rahmenbedingungen für die Forschungstätigkeit und sind für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben sowie für den Betrieb von Forschungsinfrastrukturen zuständig. Regelungskompetenz kommt viertens Bund und Ländern zu.
Im Sinne der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz) ist es essenziell und entspricht dem Grundverständnis der DFG, die Themenoffenheit der Forschungsprojekte und auch die Freiheit der Methoden- und Materialienwahl zu wahren. Die Überlegungen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sollen daher nicht zu einer Beeinträchtigung der Qualität der Forschung führen.
Reflexion in der Antragstellung bei der DFG
Die DFG-Kommission regte an, den Nachhaltigkeitsgedanken auf Antragsebene zu verankern. Der in der Breite der wissenschaftlichen Communities verankerte Ansatz zur Reflexion soll dazu beitragen, einen Wandel hin zu ressourcenschonenden und emissionsmindernden Forschungspraktiken zu unterstützen und zu fördern. Diesem Prozess wird aber Flexibilität für eine iterative Entwicklung und Anpassungsmöglichkeiten in der Forschung eingeräumt. Insgesamt wird eine Vorgehensweise angestrebt, die eine Überregulierung vermeidet und den administrativen Aufwand für die Beteiligten in Grenzen hält.
Ein entsprechender, fachübergreifender DFG-Leitfragenkatalog mit beispielhaften Ansatzpunkten und Fragen, der weder abschließend noch verpflichtend noch in Gänze von den Antragstellenden zu beantworten ist, soll zur Reflexion einladen und in Überlegungen auch bei ambivalenten Handlungsansätzen unterstützen.
Gemäß DFG bieten sich insbesondere folgende Kategorien für diese Reflexion an:
- Reisetätigkeiten
- Experimente, Feldversuche, Umfragen
- Rechenleistungen, Gerätebeschaffung, -betrieb und -nutzung
Leitfragenkatalog der DFG
Ein DFG-Leitfragenkatalog soll in der Konzeptionsphase eines Projekts Anregungen und Orienierung geben, welche Aspekte im Sinne einer umwelt- und ressourcenschonenden Gestaltung von Forschungsprozessen bedacht werden könnten. Insoweit sollten in erster Linie die Aspekte adressiert werden, die – der eigenen Einschätzung nach – die größten Auswirkungen auf etwaige Emissionen und den Ressourcenbedarf haben könnten.
Die angestrebte wissenschaftliche Qualität ist für die Projektplanung prioritär. Die Überlegungen zu Nachhaltigkeitsaspekten im Forschungsprozess sollten nicht zu Einschränkungen des erwarteten Erkenntnisgewinns führen. Sollten alternative, ressourcenschonende/re und emissionsmindernde Vorgehensweisen kostenintensiver sein, können höhere Mittelbedarfe beantragt werden.
Die im folgenden Katalog aufgeführten Fragen dienen der Inspiration und sind als Angebot zu verstehen. Sie liefern Beispiele und sind weder abschließend und noch zur vollständigen Adressierung in der Reflexion gedacht. Vielmehr zielt der Leitfragenkatalog auf die Unterstützung eines differenzierten, teils fachspezifischen Abwägungsprozesses zwischen unterschiedlichen Ansätzen, ressourcen- und klimaschonender zu arbeiten, auf Vor- und Nachteile von Methoden sowie auf mögliche Zielkonflikte. Ziel sind auch die Nachhaltigkeit berücksichtigende Standards in der Forschungstätigkeit:
1. Reflexion in Bezug auf Reisetätigkeit
Könnte das Ziel einer Reise in anderer Weise, beispielsweise durch digitale Kommunikation, mit einem vergleichbaren Erkenntnis-/Vernetzungsgewinn erreicht werden? In die Abwägung können u. a. die spezifische Situation von Personen in frühen Karrierephasen sowie der fachspezifische und internationale Vernetzungsbedarf insgesamt eingehen.
Können durch angepasste Transportmittel oder -wege Emissionsminderungen erzielt werden? Können Flugreisen in der Projektdurchführung ersetzt oder mit anderen Anliegen bzw. Reisezielen verknüpft werden? Könnten gegebenenfalls Direktflüge gewählt werden (auch wenn diese teurer sind)?
Kann eine quantitative Schätzung der Umweltbelastung (vor allem CO2-äquivalente Emissionen) durch die Reisetätigkeit im Rahmen des Projekts abgegeben werden?
Bei der Organisation von Tagungen: Könnten hybride oder digitale Formate eine sinnvolle Alternative zu Präsenztreffen bieten?
2. Reflexion in Bezug auf Experimente/Feldversuche/Umfragen
Allgemein:
- In welchen methodischen Ansätzen sehen Sie das meiste Potenzial, Ressourcenaufwand und klima- und umweltschädliche Emissionen in relevantem Umfang zu vermindern?
- Können Auslegung und Skalierung des Experimentdesigns oder des Feldversuchs auf den zur Beantwortung der Fragestellung erforderlichen Umfang noch besser eingestellt bzw. können sie (partiell) durch eine Simulation ersetzt werden?
- Könnte – unter Berücksichtigung des Neuigkeitsgehalts der geplanten Forschungen – auf anderweitig vorliegende, bereits existierende experimentelle Daten zurückgegriffen werden, um Arbeitsabläufe im Sinne der Nachhaltigkeit zu verbessern?
- Könnten durch vollständige Nutzung und/oder (soweit möglich) Verfügbarmachung und/oder Wiederverwertung von erhobenen Daten erneute Messungen und Experimente überflüssig werden?
Labor- und Verbrauchsmaterial:
- Besteht die Möglichkeit, Verbrauchsmaterialien (in einem verhältnismäßigen Aufwand) zu reduzieren, wiederzuverwenden oder aus recyceltem Material einzusetzen?
- Lassen sich Anbieter finden, die im Vergleich umwelt-/ressourcenschonendere Produkte vertreiben?
- Könnte sich durch den Einkauf weniger hoher Stückzahlen der Aufwand für die Lagerung von Verbrauchsmaterialien reduzieren? Zu berücksichtigen sind in diesem Kontext auch etwaige Emissionen und Ressourcenaufwände durch den Transport.
Untersuchungsmaterial:
- Kann auf bereits vorliegendes Untersuchungsmaterial zurückgegriffen werden?
- Besteht die Möglichkeit, Untersuchungsmaterial (in einem verhältnismäßigen Aufwand) zu reduzieren, wiederzuverwenden oder für andere verfügbar zu machen?
- Gibt es Möglichkeiten für eine klima- und ressourcenschonendere Lagerung von Untersuchungsmaterial? Könnte sich zum Beispiel eine geringere Kühlung des Untersuchungsmaterials anbieten?
3. Reflexion zu Rechenleistungen
- Kann die Rechenleistung für Modellierung, Simulation, Auswertung und Visualisierung reduziert werden? Bieten sich gegebenenfalls cloudbasierte Lösungen an? Kann gegebenenfalls auf Anbieter zurückgegriffen werden, die Ökostrom beziehen?
- Kann der Aufwand durch eine noch effizientere Planung der durchzuführenden Simulationen reduziert werden?
- Kann durch die Wahl der Modelltiefe der Simulationsaufwand bei ähnlicher Qualität der Ergebnisse reduziert werden?
- Könnte auf anderweitig vorliegende, bereits existierende Simulationsdaten zurückgegriffen werden, um Ressourcenaufwände und Emission zu reduzieren?
- Könnten durch vollständige Nutzung und/oder (soweit möglich) Verfügbarmachung und/oder Wiederverwertbarkeit der erhobenen Simulationsdaten Minderungspotenziale eröffnet werden?
- Können spezifische Aussagen zur Umweltbelastung durch rechenzeitintensive Simulationen (etwa zur Höhe des CO2-Ausstoßes) getroffen werden?
4. Reflexion zu Gerätebeschaffung/-betrieb/-nutzung
- Ist eine Neuanschaffung von Geräten vor dem Hintergrund von im Umfeld (beispielweise in benachbarten Arbeitsgruppen) vorhandener oder reparierbarer Geräte erforderlich? Ist das neu anzuschaffende Gerät energieeffizienter als vorhandene, etwaig zu ersetzende Geräte?
- Welche Informationen über eine umwelt- und ressourcenschonende Herstellung und einen entsprechenden Betrieb liegen für das neu zu beschaffende Gerät vor?
- Gibt es Möglichkeiten, mit Blick auf die Lebensdauer und die Reparierbarkeit bei Neuanschaffung und der Auslastung bei Gerätebetrieb, einen noch effizienteren Ressourceneinsatz und eine Emissionsverminderung zu erreichen?
- Welche Überlegungen bestehen für die Außerbetriebnahme von Geräten, etwa auch im Hinblick auf die Gestaltung des Recyclings?
Nach den Empfehlungen der DFG-Kommission sollen Antragstellerinnen und Antragsteller die Überlegungen zu Nachhaltigkeitsaspekten im Forschungsprozess und zu möglichen Minderungspotenzialen knapp und nachvollziehbar in den Zusatzinformationen zum Projektantrag darlegen. Diese Ausführungen würden in die Urteilsfindung zum Antrag mit einfließen, dies jedoch nicht in Form einer fachlichen Prüfung mit Blick auf ein etwaiges Begutachtungskriterium, sondern im Sinne einer Plausibilitätsprüfung. Die Wahl von Forschungsinhalten obliegt auch weiterhin ausschließlich den Antragstellerinnen und Antragstellern.
Die Professorinnen und Professoren der OTH Amberg-Weiden werden gebeten, diese Empfehlungen im Falle einer Antragstellung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und gerne auch bei anderen Fördergebern mit zu berücksichtigen.
Amberg-Weiden, den 31. Oktober 2023
Prof. Dr. Wolfgang Weber
Vizepräsident Forschung und Entwicklung, Transfer