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Beiträge unserer „Zugvögel“

Ein bisschen von allem

Es ist keine leichte Übung Indien zu beschreiben und vielleicht sollte ich das garnicht erst versuchen weil ich damit ihren Eindruck des Landes zumindest oberflächlich manipuliere. Ich bin aber so begeistert vom “incredible India” (offizielles Tourismus Slogan) dass ich mich damit kaum zurückhalten kann und Indien wohl auch in absehbarer Zukunft nicht abhaken möchte. Es folgt ein einigermassen zusammenhangloser Salat aus alltäglichen Eindrücken.

Manchmal bin ich vom chaos begeistert und manchmal raubt es mir auch ziemlich die Energie. Probleme werden oft meisterhaft provisorisch behoben und man lernt schnell das Schwierigkeiten sich mit der richtigen Einstellung oft viel leichter beheben lassen als man das als Deutscher erwarten würde. In Indien scheint mir vieles um einiges schwieriger, wohl weil bei ungefähr 1,5 Milliarden Bürgern (bei der Zensur im Jahr 2011 waren es 1,25 Milliarden), Indiens Finanziellem Stand und der absolut unübersichtlichen Kulturellen Vielfalt ist eine gewisse Unordnung wohl unausweichlich. Die omnipräsente Improvisation zeigt einem tagtäglich das es jede Menge Wege gibt um etwas zu erreichen. Wenn man aber die Kontrolle haben will, oder wenn man etwas unsicher ist und sich irgendwie zurechtfinden will kann es jedoch einigermassen frustrierend sein das oft mal nichts so funktioniert wie man es erwartet.

Vor meinem Aufbruch nach Indien habe ich mir ein Video von einem deutschen Filmemacher Paar angesehen, das die ganze Welt für fünf euro am Tag bereist hat und auch einen kleinen Beitrag zu Indien geteilt hat. Darin meinten die beiden Indien sei wie ein Zauberspiegel und dass die Erfahrung die ein reisender in Indien macht sehr stark von seinem/ihrem Innenleben abhängt. Dieses Bild räsoniert gut mit den Erfahrungen aus meinem nun schon über vier Monate dauernden Aufenthalt, in dem ich alle erdenklichen Gefühle durchlebt habe. Indien ist so schön und unbeschwert wenn man es schafft die komplette Kontrolle über das was einem geschieht aufzugeben und das was einem begegnet willkommen zu heissen. Oft ist das aber schwierig und man läuft Gefahr sich zu verkrampfen. Dann ist es schnell schrecklich laut und dreckig und man merkt wie einem alles zu Kopf steigt wenn man sich nicht zu helfen weiss. Wenn man dann aber jemanden um Hilfe bittet kommt es oft, dass man mit Hilfsbereitschaft überschwemmt wird und der ganze Lärm und Ärger in den Hintergrund rückt. Das Video versuche ich im Anhang einzufügen. https://vimeo.com/91661078

In Indien ist so einiges entstanden. Die Vielfalt grosser Erfindungen ist jedoch Atemberaubend. Die alten Inder müssen echt fleißige Denker gewesen sein, denn sie brachten unter anderem Algebra, Trigonometrie, Analysis, die Zahl 0, Astronomie, Baumwollkleidung, Buddhismus, Ayurveda, Yoga, Kung fu, Universitäten, Metallurgie, Schach, das lineal, shampoo, Toiletten mit Spülung und Tinte in die Welt. Viele dieser Erfindungen, also vielleicht nicht Toiletten mit Spülung, aber zum Beispiel Yoga, vedische Mathematik und ayurvedische Medizin haben eine “intuitive” Qualität, die oft mit faszinierender eleganz vom Problem direkt zur Lösung schreitet. Wir haben in unsrer WG ein Buch über vedische Mathematik und ich würde anhand eines Beispiels daraus gerne veranschaulichen, wie direkt man damit alle möglichen Probleme auflösen kann, aber mein Verständnis ist noch zu beschränkt. Auf jeden Fall scheint es als folgt der Ansatz oft nicht der schritt-fuer-schritt Methode und stattdessen kommt man ohne grossen aufwand quasi-magisch direkt zur Lösung. Am liebsten würde ich mir einige Semester zeit nehmen um die so interessante Denkart etwas tiefer zu verstehen! Wer in Indien unterwegs ist dem kommt eventuell die Frage auf wieso das Land heutzutage nicht etwas mehr dominiert in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Man könnte alles auf die Besatzung der Briten und den kulturellen Genozid der westlichen Leitkultur, oder auf die unzählige menge Menschen die in dem Land leben schieben. Vielleicht könnte man sagen, dass die Inder wegen ihrer östlichen Denkweise mehr Wert auf die innere Welt, auf Spiritualität und andere subtile Aspekte legen, während man im Westen hauptsächlich in der aeusseren, Materiellen Welt handelt und Fortschritte macht.

Es ist auf jeden Fall krass zu sehen wie unsere Freunde, die am MNIT einer Eliteuni studieren, welche nur etwa 5 aus 1000 Bewerbern aufnimmt um Jobs kämpfen müssen. Fast der einzige Arbeitgeber, mit vergleichsweise attraktiven Berufen ist die Regierung. Die Jobs dort sind allerdings hart umkämpft, eine Freundin von uns zum Beispiel bewirbt sich für einen Job bei dem sie sich gegen über 1 lakh (100000) andere Bewerber behaupten muss. Das geschieht in sogenannten “comperative Exams”, Test die zu den schwersten der Welt zählen und das gesamte kurikulum des Studiums, sowie Geschwindigkeit und allgemeine Intelligenz testen. Es ist also verständlich das viele erwägen auszuwandern um in den USA oder in Deutschland zu arbeiten, oder die Doktorarbeit zu schreiben.

Ein weiterer Teil Indiens den mich noch kaum überreissen kann ist die Religion Hinduismus. Man hat mir erzählt dass das eigentlich garnicht eine Religion im eigentlichen Sinn ist, sondern eher ein Gemisch aus allen Lebensbräuchen und Kulturen der Menschen die südöstlich des Indusflusses leben. Die Philosophie setzt sich aus einer Menge von Schriften aus allen Epochen zusammen, unter anderem aus den vedischen Schriften, dem Sanatana Dharma, den Upanishads, Bhagavad Gita…. Auch die ayurvedische Medizin und Yoga sind tief mit dem Hinduismus Konstrukt verwoben. So ist zum Beispiel Lord Shiva, eine der drei wichtigsten Gottheiten im Hinduismus auch der geschichtliche Gründer des Yogas. Es gibt ein paar Gottheiten und davon jeweils viele verschiedene Avatare und Reinkarnationen und Kinder. Aus dem Hinduismus sind der Buddhismus und Jainismus entstanden. Buddhismus und Jainismus wurden anschließend einfach wieder in den Hinduismus aufgenommen, genauso wie Mohammed, Jesus und so mancher Filmstar. Viele Teile der Philosophie sind sehr verschachtelt und widersprechen sich gegenseitig an manchen Stellen, aber es gibt dennoch einige Grundideen welche die Hindus in ihrem Glauben vereinen. So ist zum Beispiel der Dharma (Pfad/Ethik) Samsara (der kontinuierliche Kreislauf von leben und sterben) Karma (sowas wie Aktion-Reaktion) und Moksha (Erleuchtung/Austritt aus dem Samsara Zyklus) in allen Variationen des Hinduismus vertreten. Ich finde den Hinduismus sehr interessant und einiges daraus gefällt mir sehr gut, zum Beispiel Yoga, Ayurveda, vedische Mathematik und wahrscheinlich noch einiges von dem ich noch nicht bescheid weis. Mir ist der Hinduismus in seiner Gesamtheit allerdings zu kompliziert und vieldeutig. Mir kommt es manchmal vor als sei Hinduismus so Komplex, dass selbst viele der Inder die Religion nur einigermaßen dogmatisch und mit wenig Bezug zur Quelle ausüben können (ähnlich wie in Christentum, Judentum, Islam). Der Buddhismus ist aus meiner Sicht attraktiver, den die Philosophie ist wesentlich einfacher verständlich und weniger widersprüchlich; aus Sicht vieler Inder ist sie aber bloss ein kleiner Teilaspekt des Hinduismus. Ähnlich gibt es im Hinduismus viele Orientierungen die sich auf bestimmte Teile der Philosophie konzentrieren wie der Shaivismus, in dem es um hauptsächlich Shiva, Meditation, Yoga und Moksha geht. Mit viel mehr Zeit würde ich bestimmt einiges finden, was mir am Hinduismus gefällt, aber mir fällt der Einstieg in die Materie nicht leicht. Über Weihnachten habe ich mich ein bisschen mit Vipassana beschäftigt, einer sehr einfachen und trotzdem ziemlich schwierigen Meditation die sich auf den Kern der Lehre von Buddha beschränkt. Ich hatte am Anfang in Indien den Eindruck das die Spiritualität im Vergleich zu dem Ruf den Indien hat ziemlich hintergründig ist. Vielleicht liegt das daran dass die Leute in der Eliteuni an der wir arbeiten eher modern und westlich sein wollen. Tatsächlich hält sich die Spiritualität doch zäh gegen den Einfluss von Smartphones, Cola und Snickers; unsere Freunde sind alle einigermassen vertraut mit Pranayama (Atemübungen) Yoga, Meditation und östlicher Philosophie. Manchmal drückt sich der Glaube aber auch ziemlich Konservativ aus, einige unserer Freunde haben zum Beispiel noch nie Alkohol getrunken und zumindest in Rajasthan ist die Trennung von Geschlechtern noch stark etabliert.

 

(Die Bilder kann man durch anklicken Vergrößern)

 

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Kommentare zu diesem Artikel (1)

  1. Marian Mure, am 16.02.2017
    Liest sich super und die Fotos sehen auch super aus. Danke!

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