Beiträge unserer „Zugvögel“
Ein Traum wird wahr: Studieren auf Vancouver Island
Andrea C. Mende, Master Wirtschaftspsychologie
Von der OTH in Weiden zur VIU in Kanada
Ich bin Andrea, komme ursprünglich vom schönen Ammersee aus Oberbayern und studiere im Master Angewandte Wirtschaftspsychologie in Weiden. Schon bei meiner Bewerbung an der OTH habe ich auf der Website nachgesehen, wo ich ein Auslandssemester machen könnte, da dies schon lange ein Traum von mir war. Weil ich ein großer Kanadafan bin und schon mehrere Male zum Reisen dort war, ist mir die Partneruniversität „Vancouver Island University“ (VIU) in British Columbia in Kanada sofort ins Auge gestochen und ich habe beschlossen: Da will ich hin!
Gesagt getan: Gleich mal das International Office der OTH kontaktiert und Infos eingeholt. Der weitere Kontakt und die Bewerbung liefen dann über das externe International Student Office (ISO) in Darmstadt ab. Nachdem mein Masterststudium mitten in der Corona-Pandemie überwiegend online stattgefunden hatte, habe ich gebangt, ob mein Auslandssemester in Kanada überhaupt stattfinden kann. Auch an der VIU liefen coronabedingt viele Kurse nur online. Umso größer war die Freude, als ich die Einladung der VIU erhielt, im Wintersemester 2021/22 am Campus vor Ort studieren zu können.
Wenn Corona deine Pläne durcheinanderbringt: Reisevorbereitungen
Wer als deutsche*r Student*in ein Auslandssemester in Kanada machen möchte, braucht normalerweise kein Visum, es reicht die sogenannte eTA (electronic travel Authorization), die man ganz einfach online auf der Website der Kanadischen Regierung beantragen kann und nur wenige Dollar kostet. Für mich war es leider etwas komplizierter, da sich durch Corona die Einreisebedingungen in Kanada verändert hatten. Somit konnte ich nur mit einer Study Permit in Kanada einreisen. Die Beantragung der Study Permit war mit $150 deutlich teurer als die eTA und auch sehr viel aufwändiger, denn ich musste dafür extra eine Reise nach Berlin zur kanadischen Botschaft einlegen. Zu der Zeit war es außerdem Pflicht vor Abflug und bei Ankunft in Kanada einen COVID-19 Test zu machen. Anschließend musste man drei Nächte in einem dafür vorgesehenen „Quarantäne-Hotel“ verbringen, bis das Ergebnis des PCR-Tests vorliegt. Zudem musste man vor Einreise alle seine Reisedaten in die extra dafür eingerichtete ArriveCAN-App eingeben. Ihr seht, Corona hat meine Reise nach Kanada sehr viel komplizierter gemacht. Doch der Aufwand hat sich gelohnt!
Kanadischer Wind um die Ohren: Ankunft auf Vancouver Island
Die Wochen vor meinem Abflug im Juni und Juli waren vollgepackt mit Vorbereitungen: den Endzügen meines Praktikums, der Abschlussprüfung meiner Ausbildung als Business Coach und natürlich Abschied nehmen von meinen Liebsten. Alles kam mir irgendwie sehr surreal vor. Coronabedingt habe ich zudem meine Study Permit erst kurz vor knapp genehmigt bekommen. Erst als ich meinen Koffer packte und einen Tag später am Flughafen stand, war mein Reisefieber kaum noch zu bremsen. Ich liebe die Reiseatmosphäre am Flughafen und fliegen noch viel mehr. Von München aus bin ich mit Lufthansa direkt nach Vancouver geflogen, was sehr angenehm war. Nach etwa 10 Stunden Flug bin ich am Flughafen in Vancouver angekommen. Dort wurde meine Geduld erst mal auf die Probe gestellt. Nach mehreren Stunden Warten in der Schlange der border control hielt ich das Papier endlich in den Händen: meine langersehnte Study Permit (die bekommt man nämlich erst bei Einreise und ist zuvor nur eine vorläufige Genehmigung).
„Jetzt steht mir nichts mehr im Wege – Vancouver Island, ich komme!“
Von Vancouver geht es mit der Fähre in knapp zwei Stunden nach Nanaimo (Vancouver Island). Wer schneller reisen möchte, kann für etwa 100 CAD auch das Wasserflugzeug nehmen und ist in etwa 20 Minuten da. Die Fahrt mit der Fähre vom Festland zur Insel ist traumhaft. An Bord des Schiffs gibt’s ein Restaurant (den leckeren „Salmon Burger“ solltet ihr unbedingt probieren), viele Sitzmöglichkeiten und einen Shop für Souvenirs. Draußen auf dem Deck habe ich mir nach der langen Reise erst mal den kanadischen Wind um die Ohren wehen lassen, der den Vorbereitungs- und Reisestress weggepustet hat. Die kilometerweite Sicht über das Meer und die umliegenden Berge ist einfach herrlich! „Eine Fahrt ins noch unbekannte Abenteuer – ich bin gespannt, was mich auf der Insel die kommenden Monate erwartet!“
Am Hafen in Duke Point angekommen wurde ich von meiner kanadischen Mitbewohnerin und ihrem Hund Teddy herzlich in Empfang genommen.
Die Vielfalt und Schönheit von Vancouver Island
Anfangs hatte ich Bedenken, ob ich mich auf der Insel vielleicht „eingeschlossen“ fühlen würde, weil man von einer Insel so schnell eben nicht wegkommt. Aber Vancouver Island ist mit ca. 32.000 Quadratmetern so groß wie Belgien. Auf der Insel gibt es etwa fünfzig Städte. Am unteren Ende liegt Victoria, die größte Stadt der Insel, die auch Hauptstadt der Provinz British Columbia (B.C.) ist. Außerdem leben auf Vancouver Island drei indigene Stämme, die als ‚First Nations‘ bezeichnet werden: Die Kwakwaka‘wakw, Nuu-chah-nulth und Coast Salish wie auch weitere Gruppen. Ihre Kultur ist an vielen Stellen der Insel zu sehen, wie beispielsweise der größte Totempfahl der Welt in Victoria.
Viele Menschen in Deutschland verbinden den kanadischen Winter mit eisiger Kälte. Auf Vancouver Island trifft das jedoch nicht zu, denn sie gilt als die Insel mit dem mildesten Klima in Kanada. Im Winter wird es im Durchschnitt nicht kälter als -2 Grad Celsius. Im Sommer ist es angenehm warm mit Temperaturen über 20 Grad.
Vancouver Island ist unglaublich vielseitig und hat eine beeindruckende Natur.
Eine kilometerlange Gebirgskette erstreckt sich über die gesamte Insel und ist ideal zum Wandern. Ein einzigartiges Tier auf der Insel ist das Murmeltier, das vom Aussterben bedroht ist und daher unter Schutz steht. Wahrscheinlicher ist es wohl einem Braunbären zu begegnen, denn Vancouver Island ist die Insel mit der dichtesten Braunbärenpopulation. Wissenschaftler aus aller Welt kommen auf diese Insel, nicht nur um Orcas zu studieren. Der Lachs auf Vancouver Island zählt zu den besten der Welt (mir hat er sehr gut geschmeckt). Ein weiteres Wunder der Natur sind die Bäume: Die Insel beherbergt einige der höchsten und ältesten Fichten der Welt, von denen einige über 1000 Jahre alt sind, sehr beeindruckend, finde ich.
Die Freizeitmöglichkeiten auf Vancouver Island sind genauso vielseitig wie die Insel selbst – langweilig wird es einem hier nicht und die Liste an Aktivitäten ist riesig: Tierbeobachtungen, wie z.B. Wale oder Vögel; Wandern; Mountain Biking; Kajak fahren; Surfen; Tauchen und vieles mehr.
Übrigens: Vancouver Island hat eine Küstenlänge von 3.400 km. Ich habe sicherlich nur einen Bruchteil der schönen Küsten und Strände entdeckt.
Das Studi-Leben auf dem Campus der VIU: Ein Überblick
Die Universität befindet sich auf dem Land der First Nations und äußert ihre Dankbarkeit dafür bei Veranstaltungen und auf der Website: „The VIU community acknowledges and thanks the Snuneymuxw, Quw’utsun and Tla’amin, on whose traditional lands we teach, learn, research, live and share knowledge.“
An der VIU gibt es insgesamt 14.500 Studierende, ich war eine von ca. 2.000 internationalen Studierenden, die übrigens aus über 90 verschiedenen Ländern kommen. Dementsprechend ist der Campus sehr international geprägt. Durch den weltoffenen Spirit am Campus, ist es leicht, neue Menschen kennenzulernen. Die Students‘ Union der Universität (VIUSU) bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten. Sie organisiert z.B. Campus-Feste mit Musik, coolen Spielen mit Preisen zu gewinnen, Essens- und Infoständen. Die Campus-Feste sind bei den Studierenden sehr beliebt. An einem lauen September-Abend trat die kanadische Band „The Steadies“ auf der Campusbühne auf und machte ordentlich Stimmung (die Band war sogar schon in Deutschland und Europa auf Tournee). Nachdem ich von Deutschland noch strenge Corona-Regeln gewohnt war und auch die letzten sechs Monate im Praktikum überwiegend remote stattgefunden hatten, tat es richtig gut wieder Menschen um sich herum zu haben, sich wieder „frei“ zu fühlen und auf dem Campus zu Live-Musik tanzen zu können.
Die VIU hat einen Campus in Cochiwan und einen in Nanaimo. Ich kann euch vom Nanaimo Campus berichten, der sehr groß ist: Es gibt ein Fitness-Studio, das man als Student*in kostenlos benutzen kann, einen Student Pup, in dem einmal pro Woche besondere Event-Abende stattfinden und eine große Cafeteria, von dessen Dachterrasse man einen herrlichen Blick über den Ozean und die Berge hat. Im Campus Store gibt es neben Uni-Zubehör und Büchern auch einen superbequemen VIU-Hoody zu kaufen. Neben dem Campus Store ist die Bibliothek, wo ich gerne zum Lernen war. Mein Lieblingsplatz war oben im 1. Stock direkt am Fenster mit toller Aussicht.
Die Prüfungen an der VIU sind anders als ich es aus Deutschland kannte. Die Noten in meinen kanadischen Kursen setzten sich in der Regel aus mehreren Prüfungsleistungen zusammen: z.B. eine Präsentation, eine Hausarbeit, eine Zwischenprüfung Mitte des Semesters und eine Prüfung am Ende des Semesters, die zum Teil auch unterschiedlich gewichtet zu einer Gesamtnote zusammengerechnet wurden. In manchen Fächern hatte ich sogar wöchentliche Abgaben. Hier hatte ich also ordentlich zu tun während des Semesters und nicht wie an deutschen Hochschulen üblich, eine Prüfungsleistung am Ende des Semesters. Beide Varianten bringen ihre Vor- und Nachteile finde ich. Viele Studierende, die ich kennengelernt habe, belegten drei bis vier Kurse pro Semester, weil der Workload während des Semesters sehr hoch ist. Da die Kursauswahl sehr interessant war, habe ich mich für vier Kurse entschieden.
Im campuseigenen Studentenwohnheim habe ich leider keinen Platz bekommen, daher musste ich mich auf dem freien Wohnungsmarkt umsehen, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Nach mehreren Wochen des Suchens von Deutschland aus mit neun Stunden Zeitunterschied, vielen Mails und Video-Calls später, war ich verzweifelt und hatte ich fast aufgegeben. In einer Facebookgruppe bin schließlich auf eine sehr freundliche Kanadierin gestoßen, die meinen Post gelesen hatte und selbst erst umgezogen war. Sie bot mir ein freies Zimmer in ihrem Haus an – was ein Glück! Wir haben uns bestens verstanden und viel zusammen unternommen.
“Island Happiness”: Ausflüge und Abenteuer
Nanaimo hat eine kleine süße Innenstadt und eine schöne Waterfront, an der man spazieren gehen kann, einige Bars und Restaurants. Wer groß feiern gehen will, ist hier fehl am Platz und muss in größere Städte ausweichen, Vancouver hat hier mehr zu bieten. Auf dem Heimweg nach Uni und Pub mit Freunden sitzt man auch bei kleinen Distanzen eine bis eineinhalb Stunden im Bus. Trotz mehrerer Buslinien in Nanaimo, stellte sich für mich das alltägliche Leben mit Weg zur Uni und zum Supermarkt komplizierter heraus als gedacht. Daher habe ich mich entschieden ein gebrauchtes Auto zu kaufen. So war ich sehr viel flexibler, innerhalb von 15 Minuten in der Uni, am Meer oder ich konnte Ausflüge außerhalb von Nanaimo machen.
Einer meiner Lieblingsorte in Nanaimo war der „Neck Point Park“, direkt am Ufer kann man wunderbar spazieren gehen und die beeindruckende Natur genießen. Wer es etwas abenteuerlicher mag, kann die Felsklippen erklimmen oder vom Kieselstrand ins kalte Wasser hüpfen. Wegen meiner frühen Anreise im August, konnte ich noch warme Sommertage miterleben. So verbrachte ich einige Tage am Westwood Lake zum Schwimmen und Sonnenbaden. Übrigens hat hier die VIUSU an Halloween ein „Westwood Lake Witch Paddle“ organisiert, verkleidet gings dann mit Stand-up-Paddle-Board oder Kajak über den See. Nach der Schnitzeljagd gabs Preise zu gewinnen und Marshmallow Grillen am Lagerfeuer.
Kajak fahren hat mir mordsmäßig viel Spaß gemacht, kann aber auch echt anstrengend sein. Ein Ausflug zu einer der kleineren Inseln gegenüber von Nanaimo lohnt sich. Auf „Protection Island“ kann man im „Dinghy Dock Pub“ ein Cocktail bei Sonnenuntergang schlürfen oder auf „New Castle Island“ mit Sonne im Gesicht und Füßen im Sand das selbstgemachte Sandwich genießen, den Wellen und den Wasserflugzeugen beim Starten und Landen zusehen.
Der Ausflug ins Surfer-Paradies Tofino war definitiv eines meiner Highlights. Die auf der westlichen Inselseite gelegene Stadt ist von Nanaimo in etwa drei Stunden mit dem Auto zu erreichen. Trotz winterlicher Temperaturen im Dezember war es dort traumhaft schön. Dieser Ort mit seinen wundervollen Stränden hat mich regelrecht verzaubert: Ich nenne dieses leichte, warme Gefühl im Bauch „Island Happiness“.
Ein Ausflug zum Festland nach Vancouver ist für mich ein Muss, egal ob als Tages- oder Wochenendtrip. Nicht umsonst landet Vancouver im Economist-Strädteranking auf Platz drei der lebenswertesten Städte der Welt, eingebettet in malerische Kulisse von Wasser und Bergen. Die Stadt an der kanadischen Westküste hat etwa 600.000 Einwohner. Ihren Namen erhielt sie vom britischen Kapitän George Vancouver, der Ende des 18. Jahrhunderts die Region erkundete. Die Auswahl an Museen, Bars und Restaurants ist riesig. Das Planetarium und die Vancouver Art Gallery haben mir besonders gut gefallen. Der 1.000 Hektar große Stanley Park gilt als „Kronjuwel“ von Vancouver und ist mit seiner Gründung im Jahr 1888 auch der älteste Park der Stadt. Von Downtown ist der Park gut zu Fuß zu erreichen. Der 9 km lange asphaltierte Uferweg zieht Einheimische wie Touristen als Jogger, Inlineskater, Spaziergänger, Singles oder Familien an, alte wie junge Menschen. Mit dem Fahrrad kann man in rund einer Stunde den Park umfahren. Egal, was man im Stanley Park macht, ob Menschen beobachten, Sport treiben oder Faulenzen – hier ist es einfach schön!
Die wichtigsten Erkenntnisse aus meinem Kanada-Abenteuer
Insgesamt kann ich sagen, dass die Reisevorbereitungen für mein Auslandssemester – vor allem wegen Corona – aufwändig waren und mich viel Zeit und Nerven gekostet haben. Ein nicht unwesentlicher Aspekt sind die Studiengebühren und die Lebenshaltungskosten in Kanada, die nicht gerade günstig sind. Geliebte Menschen im Heimatland „zurückzulassen“, ist mir außerdem nicht leichtgefallen. Ich bin jedoch sehr froh, dass ich mir diesen Traum erfüllen konnte, und würde es wieder machen. Obwohl ich schon mehrmals in Kanada war, ist am Anfang vieles neu und überwältigend. Ich kann mich zwar schnell an neuen Orten zurechtfinden und Anschluss knüpfen, dennoch dauerte es etwas, bis neben dem Körper auch die Seele ankommt. Für mich war es der Zeitpunkt, als ich kein GPS mehr brauchte und ich angefangen habe auf Englisch zu träumen – da dachte ich mir: „Jetzt bin ich angekommen“.
Die Kanadier, die mir begegnet sind, haben mir die Zeit auf Vancouver Island mit ihrer sehr freundlichen, offenen und hilfsbereiten Art unvergesslich gemacht. Sie brachten eine gewisse Leichtigkeit an den Tag, die ich sehr bewundere. Ich finde, davon kann sich jede*r inspirieren lassen. Dieses „Island Feeling“ ist wirklich etwas Besonderes!
In diesen sechs Monaten habe ich sehr viel gelernt, mein Englisch verbessern können, Freundschaften geschlossen, schöne Erlebnisse gesammelt und vor allem bin ich über mich hinausgewachsen.
Meine Learnings von diesem Abenteuer sind:
- Eigene Ziele zu verfolgen, bedeutet immer auch eine Reise zu sich selbst.
- Freunde und Familie sind wichtig, egal wo auf der Welt du gerade bist.
- Die Dinge laufen nicht immer wie geplant, versuche es trotzdem positiv zu sehen.
- An deinen Erfahrungen – positiv wie negativ – wirst du wachsen.
- Lebe, lerne und genieße mit und durch Andere: Um einen neuen Ort und eine neue Kultur kennenzulernen, sieh durch die Augen eines Menschen, der dort lebt.
Ein Auslandssemester zu machen, ist eine Erfahrung fürs Leben!
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