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Beiträge unserer „Zugvögel“

Praktikum am MNIT (Teil 2)

Wie die Zeit vergeht!

Nach anfänglichen Schwierigkeiten (die indische Verwaltung ist mindestens genauso anspruchsvoll wie deutsche) bin ich wohl mittlerweile angekommen. Mein Alltag hat sich eingependelt, das Chaos gelichtet und in der näheren Gegend war ich auch schon unterwegs, habe so einiges gesehen und erlebt.

Der Trubel im Stadtzentrum, die teilweise heruntergekommenen Palastanlagen der hiesigen Fürsten, die gigantischen Festungen über der Stadt und das Lichtermeer am Diwali-Fest, bei dem der Gott Lord Ram und dessen Sieg über das Böse mit traditionellen Öllämpchen (und modernisiert - weil günstig und wiederverwendbar - mit Massen an chinesischen Lichterketten sowie LED Strahlern) gefeiert werden. Indien ist und bleibt ein Panoptikum an Eindrücken.

Noch immer erschlägt mich der Verkehr in Jaipur, in dem Regeln eher als freundlich gemeinte Vorschläge wahrgenommen werden. Es ist hier tatsächlich nicht ungewöhnlich, ein kurzes Stück gegen die Fahrtrichtung zu fahren. Kein Mensch würde für einen querenden Fußgänger bremsen, aber immerhin ausweichen. Mittlerweile weiß ich, wie ich die Hand hinzuhalten habe, damit meine Absicht die Straße zu queren deutlich ist, und bisher bin ich immer heil rübergekommen.

Auch die krassen Unterschiede zwischen arm und reich sind erschreckend. Als ich das erste Mal bettelnde Kinder gesehen habe, war ich noch geschockt. Mittlerweile beunruhigt mich eher, wie leicht man sich daran gewöhnt sie zu ignorieren...Selbst mitten in der Nacht um zehn oder elf sind da Achtjährige, spindeldürr, gerne mit irgendwelchem Plastikschrott, Aufklebern oder Luftballons zum Verkaufen ausgestattet, die Eltern meist nicht fern im selben Geschäft.

Auch streunende Hunde und, tatsächlich, Rinder sind wirklich überall und beide Gruppen ernähren sich hauptsächlich von Müll. Die Mülleimer sind nicht sicher vor ihnen, werden umgeschmissen und der Inhalt verteilt, auf der Suche nach einem Restchen Ketchup (das die Inder viel zu gerne auf Pizza tun, was für ein Sakrileg!) oder ein paar Krümeln Reis aus einer Wegwerfverpackung aus Plastik. Beim nächsten Regen (wobei der letzte jetzt schon Wochen her ist) wird der Müll dann in die offene Kanalisation geschwemmt.

 

Lord Rams Klage

Kürzlich ist ein wichtiges Urteil des obersten indischen Gerichts gefallen, das hier für einige Unruhe gesorgt hat. Im Jahre 1992 war eine Moschee aus dem 16. Jahrhundert von indischen Ultrareligiösen bis auf die Grundmauern niedergerissen worden, da sich dort angeblich der Geburtsort des Gottes Lord Ram befindet. Bei den darauf folgenden Unruhen starben um die 1000 Menschen. Dazu muss man außerdem wissen, dass Indien jahrhundertelang von Muslimen regiert wurde, die Hindus wurden unterdrückt.

Unter der aktuellen Regierung ist die Situation eher andersherum, die Regierung unter Präsident Modi ist stramm hinduistisch, wenn auch demokratisch gewählt.

Nun hat Lord Ram (ja, ein Gott ist in Indien klageberechtigt), vertreten durch einen "Freund" auf Rückgabe seines Geburtsortes geklagt. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs lautet nun, dass die Muslime ein anderes Stück Land bekommen, auf dem sie eine Moschee bauen sollen, und dass ein Tempel für Lord Ram auf der umstrittenen Brache errichtet werden soll. Die Muslime sehen darin natürlich eine Demütigung, und Indien hat immerhin um die 300 Millionen Muslime (bei circa 1,3 Milliarden Gesamtbevölkerung).

Um Unruhen zuvorzukommen, wurde mal eben für 48 Stunden das Mobilfunknetz übers Wochenende abgeschaltet. Ich habe mich im Leben noch nie so abgeschnitten gefühlt. Normalerweise stehe ich, trotz Zeitverschiebung von viereinhalb Stunden, im engen Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden zu Hause. Plötzlich war ich wirklich alleine und sehr weit weg von zu Hause. Doch das Mobilfunknetz ist mittlerweile wieder da und die Routine kehrt zurück.

Fast angekommen

Ich frühstücke gerne und oft in der Canteen. Erstens liegt sie auf dem Weg zwischen dem Standort meines Instituts, dem Centre for Energy and Enviroment, und meinem Zimmer im Guesthouse. Das ist wichtig für mich, weil ich einfach kein Frühaufsteher bin und selten vor Mitternacht ins Bett gehe. Dass es bei meinen Freunden 4,5 Stunden früher ist als bei mir, verstärkt das gerne mal. Schließlich kommen die oft erst gerade online, wenn ich eigentlich schon ins Bett muss. Zweitens ist sie relativ günstig. Umgerechnet zahle ich für mein knappes Frühstück ca. 0,60€. Und drittens ist das Essen ziemlich gut und die Auswahl recht groß.

Nur gibt es ein Problem, vor dem ich dort regelmäßig stehe.

Es gibt genau einen Mitarbeiter, der etwas Englisch spricht. Und der sitzt an der Kasse. Eigentlich gut, denn der normale Ablauf ist, dass man an der Kasse ordert und bezahlt. Mit dem Kassenzettel geht man dann zur richtigen von vier Ausgabestationen, an denen man dann den Zettel gegen Essen und Getränke tauscht. Eigentlich eine sichere Sache, und mittlerweile habe ich ganz gut gelernt, was ich wo zu holen habe, denn natürlich sind die Ausgaben spezialisiert. Nur: auf dem Zettel steht oft nicht das drauf, was ich geordert habe.

Öfters tippt der Mann an der Kasse einfach nur irgendwas ein, was genau so viel kostet und von der richtigen Station ist. Dass ich z.B. einen Burger will und kein Sandwich (beides je 30 Rupien, ca. 40 ct.) muss ich immer wieder erklären. Nur ohne gemeinsame Sprache führt das jedes Mal zu einer Art Ausdruckstanz...

Mittlerweile wissen die meisten an der Ausgabe glücklicherweise schon, was ich üblicherweise nehme, ich bin langsam angekommen.

Wissenschaftlich angekommen

Auch wissenschaftlich bin ich angekommen. Ich habe einen Versuch zur Vorbehandlung von Stroh zur Gewinnung von Biogas durch Speisepilze durchgeführt und bin an der Kontamination meiner Proben durch Schimmelpilze gescheitert. Mittlerweile assistiere ich einer Doktorandin bei ihren Versuchen und werde soweit angelernt, dass ich diese auch ohne sie fortführen kann - dies beinhaltet vor allem die Analyse von Gasdrücken und Inhaltsstoffen von Glasflaschen, in denen der Prozess zur Umwandlung von Mikroalgen, die zur Abwasserreinigung verwendet wurden, in Biogas abläuft.

Es sind 42 Flaschen, in denen täglich der Druck gemessen wird. Und in jeder dritten Flasche wird mittels Gaschromatografen gemessen, wie viel CO2 und Methan im Gas sind. Der Gaschromatograf ist etwas älter: nach jeder Messung fordert er mehrfach auf, jetzt ein Fax mit den Ergebnissen zu verschicken oder endlich (die Maschine wirkt irgendwie genervt) das Modem anzuschließen. Aber er funktioniert.

Außerdem recherchiere ich zu den jeweiligen Algen und Methoden, vor allem, damit ich verstehe, was und warum ich es mache.

Bald Halbzeit!

Wie die Zeit vergeht!

Mittlerweile ist es schon Mitte November und ich nähere mich der Halbzeit. Es fühlt sich irgendwie nicht an wie zweieinhalb Monate. Die Erinnerung an diesen turbulenten ersten Tag (siehe letzter Blog) fühlt sich eher an wie von vorletzter Woche.

Aber: Ich habe mittlerweile ein Stammlokal, eine Kaffeebar ums Eck, in der es relativ günstig kleine Mahlzeiten (ein bisschen indische Küche, Pizza, die den Namen zumindest verdient, und ziemlich gute Pasta) und sehr guten und extrem billigen Kaffee gibt. Ich meine, 75 ct pro Cappuccino? In einem Café? Da nehme ich gern einen mehr, auch wenn hier das übliche Getränk eher Ingwertee mit Zucker und Milch ist, und der kostet nicht mal die Hälfte.

Aber die größten Herausforderungen warten noch:

Persönlich schwierig wird es mit Sicherheit, an Weihnachten alleine zu sein. Auch über Neujahr und an meinem Geburtstag, im Januar, ohne meine Freunde und Familie feiern zu müssen wird nicht leicht. Andererseits: Ich werde 30, nicht frische 18. Ich sollte schon zurechtkommen.

Und der Flieger zurück geht ja schon in gut zwei Monaten.

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Kommentare zu diesem Artikel (1)

  1. Max, am 22.11.2019
    Muss ich des alles lesen?

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